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"Wie wir ja alle wissen ..." mal angenommen, man weiß nichts

"Wie wir ja alle wissen ..." mal angenommen, man weiß nichts

„Wie wir ja alle wissen …“ – Bibel? Ist wie Gebrüder Grimm nur ohne Elfmeter. Wie bitte? Es war schon eine besondere Erfahrung, eine Woche in Bali, also auf dem Campingplatz Bad Liebenzell, das Ferienprogramm zu gestalten. Warum? Zum einen wurden wir begrüßt mit: „95% Holländer!“ „O.k.“, dachte ich: „Fließend Schwäbisch beherrsche ich, ein bisschen Hochdeutsch und minimal Englisch. Das wird spannend!“ Zum anderen steckte das Besondere im Detail.

Das Autokennzeichen „XXX“ hat mich verleitet, den Stellplatz zu betreten. Die Familie wirkte irgendwie zurückgezogen, so als wollten sie sich vor fremden Besuchern schützen. Ich trat trotzdem etwas näher, gespannt auf die Reaktion … Sie waren überrascht, dass da einer von der Campingkirche kam. Und dann erzählten sie, zögernd, bescheiden, sparsam und einfach … Wir kamen nach einer Weile auf biblische Geschichten zu sprechen, die das Kind im Kinderprogramm so gerne hört. „Jaja, Bibel kennen wir. Grimm, Brüder Grimm, und die Geschichten von dem Alten, weißt du, der mit dem weißen Bart …“ O.K. die Quellen gehen etwas durcheinander … Um Verständigng bemüht, redeten wir lange. Und setzten das Gespräch am Abend bei lecker Stockbrot und Livemusik auf dem „Dorfplatz“, dem Zuhause der Campingkirche, fort.

Ach ja, der Dorfplatz des Campingplatzes Bad Liebenzell war unser Schlafplatz, Wohnzimmer, Esszimmer samt Küche – und zugleich Spielplatz der Campinggäste und Veranstaltungsbereich der Kirche Unterwegs. Wir waren Kirche auf dem Dorfplatz. Und es war egal ob Rostock, Amsterdam, Erzgebirge oder Maastricht: Unser Verständigungsproblem lag weniger in den unterschiedlichen Muttersprachen oder Dialekten, als vielmehr in der Tatsache, dass Kirche, Glaube und Christsein sowas von unbekannt sind. Der Mischmasch bei der Frage nach der Literatur (Bibel und Gebrüder Grimm) ist das eine. Die Unkenntnis von Geschichten oder ganz elementaren Texten wie Psalm 23 oder Vaterunser das andere.

Wie schnell sagt man: „Wir singen das bekannte Lied …“ „Wie wir doch alle wissen …“ – Klar ist: nichts nichts weiß man. Höchstens den Bierpreis auf der Wiesn. Aber nicht das Vaterunser oder Jesus. Der Ort spielt dabei keine Rolle.

Geht Kirche ohne Voraussetzungen?

Campingkirche ist genial – und muss weithin voraussetzungslos ansetzen. Geht das? Ja! Alle Erfahrungen zeigen: Es geht! Gastfreundschaft verstehen alle. Grenzüberschreitend, menschenverbindend. Campingkirche ist nah und mit Menschen unterwegs, für die Glaube, Vaterunser oder Bibel fremd sind. Wahrgenommen und aktzeptiert werden macht glücklich und öffnet Tür und Tor. So entstehen sehr lebendige Begegnungen, Gespräche, Eindrücke, die nachwirken. Ja, das Interesse ist da, wächst und trägt seine Früchte. Menschen sind dankbar für die Campingkirche, sie gehen glücklicher vom „Dorfplatz“, als sie gekommen sind. Ja, wir erleben, wie die Menschen glücklich und dankbar darüber sind, dass man einen Raum und Treffpunkt hat, wo man leben kann, einander begegnen oder einfach da sein kann. Und dabei immer wieder auch angerührt wird von den Geschichten der Bibel, die so fremd sind und doch so berührend nahe kommen. Dankbar, dass die Gedanken über Gott („Was ist Gott?“) Relevanz fürs Leben haben. Viele spüren: Hier ist mehr als „Stockbrot backen, Bier trinken und Umsatz machen.“ Hier sind Menschen mit Herz, die teilen, was ihnen wichtig, wert und lieb ist. An jedem Abend war unser Dorfplatz in „Bali“ gefüllt. Und viele Menschen wurden erfüllt. Ein großartiges Programm boten wir nicht. Aber wir waren da als Team der Campingkirche. Und wir lebten mit den Leuten. Auch noch nach „Dienstschluss“.

Statt Gottesdienst

Aus dem Gottesdienst am Sonntag wurde das Sonntagskonzert: Die Posaunenchöre musizierten und begeisterten das Publikum mit Choral, Gospel oder Volkslied. Und dazwischen gabs kleine Texte, mal gespielt mit Jonglierbällen, mal einfach erzählt. Bei einem Sonntagskonzert kann man vorbeischlendern, stehenbleiben oder sich dazugesellen. Einfach niederschwellig und voraussetzungslos. Bei Stockbrotbacken, Lagerfeuer und Livemusik konnte man reden. Seine Sorgen von der Seele erzählen, seine frohe Überraschung über Kirche auf dem Camping-Dorfplatz kundtun … wie auch immer.
Kirche als Treffpunkt, Kirche als Ort der Begegnung, das hat Verheißung! Nicht die Verwaltung zählte, sondern das Verweilen. Nicht die Übereinstimmung war wichtig, sondern die Begegnung. Bevor ich abreiste, ging ich noch zu dem Stellplatz mit dem Kennzeichen „XXX“ und verabschiedete mich. Der Mann hat schier geheult: Begegnung
ist Wertschätzung. Und der Alltag ist der eigentlich wichtigste Ort der Begegnung zwischen Menschen.

Perspektive
Warum ich das erzähle? Weil ich davon überzeugt bin, dass die Kirche in die Öffentlichkeit gehört und nicht hinter Mauern. Dass die Kirche auf dem Markt ihren Platz haben müsste und nicht hinter dieser „nein,-wir-unterstützen-nicht-dieser-Kommerz-am-Sonntag-Ausrede“. Und weil ich davon überzeugt bin, dass wir eine Kirche der Begegnung und Wahrnehmung brauchen und nicht eine Kirche der Veranstaltung, Bewahrung oder Verwaltung. Lasst uns das üben, damit wir es lernen und können!

Campingkirche – ein Muss für Kirche oder wegsparen?

Ja, wir konnten auf sechs Campingplätzen etwa 27 Wochen Ferienprogramm gestalten in diesem Sommer. Dank vieler Gebete erlebten die Menschen viel Segen. Dank vieler Spenden konnte vieles bezahlt werden. Danke, wenn Sie, wenn Ihr diese Arbeit weiterhin unterstützen könnt. Es wird spannend sein, was in den nächsten Jahren,
wo es mal wieder ums Sparen geht, mit der Kirche Unterwegs und der Campingkirche wird. Wir hoffen, dass die Notwendigkeit dieser Arbeit nah bei den Menschen und mit niederen Schwellen, bei den für Finanzen der Kirche Verantwortlichen gesehen wird. Wir hoffen, dass wir die Lücken, die durch Preissteigerungen entstanden sind, durch Spenden decken können. Danke für jegliche Hilfe!

Gottes Segen für Sie, für Euch und eine behütete und gute Zeit!
Manfred Zoll